Zuhause auf dem Meer

Einer „Landratte“ zu erklären, worin genau die Faszination des Lebens auf dem Wasser besteht, kann kompliziert sein. Oder eben gar nicht. Je nachdem wen man vor sich hat.

Denn wer nicht gerade prestigeträchtige Klassiker oder Maxiyachten über das Meer bewegt, erfolgreich (mitunter renommierte) Regatten bestreitet oder an exponierten Spots dieses Planeten unterwegs ist, wird nach meiner Erfahrung als Segler manchmal eher belächelt: „Aha, Du segelst Jolle“, „den Sommer auf der Ostsee, mhm.“, „Segeln auf Nordsee und Wattenmeer ist doch nur grau, kalt und trübes Wasser“, „Im Mittelmeer segeln, ganz schön teuer, da bekomme ich aber pauschal mehr zu sehen“…

Es ist wohl was dran: Wer ausschließlich nach Superlativen (statt Luxus ist es ja eher Camping) oder günstigem Entertainment sucht, ist kaum geeignet für den Segelsport wie ich ihn mag. Weniger Exklusivität und Protz, kaum Regatten, dafür mehr Fahrtensegeln. Einfach ein Erlebnis, das den persönlichen Sehnsüchten entspricht, auch mal fernab des Mainstreams – sei es fahrtensegelnd, wie ich und unzählige andere es mit kürzeren oder längeren Etappen betreiben oder gar kreuz und quer oder rund um die Welt wie die Helden meiner Segelliteratur.

Für mich persönlich geht es beim Segeln primär um das Naturerlebnis, die Bewegung und die Beherrschung des Segelschiffs, vielleicht auch um das Freiheitsgefühl, vor allem aber schlicht und ergreifend um das Dasein auf dem Meer. Einfach um: das Sein

Wellen, Regen, Sonne, Wolken, vielleicht das lautlose Gleiten, das Schreien der Möwen oder Albatrosse, den Landfall nach einer herausfordernden Etappe oder schlicht das Liegen auf dem Deck mit dem Blick in den Himmel und der Beobachtung wie die Mastspitze durch die Bewegung des Bootes Bilder ins Blau oder Grau des Himmels oder die Wolken zeichnet. Oder sogar die Sterne am Nachthimmel miteinander verbindet. All das sind Dinge, für die ich meine Zeit, Entspannung und Ruhe auf dem Boot schätze.

Ein Einsiedler bin ich deshalb aber noch lange nicht: Noch lieber als alleine, bin ich mit meiner Frau, der Familie oder Freunden segelnd unterwegs. Denn für mich schöne oder auch anspruchsvolle Segelmomente zu teilen, macht sie für mich noch einprägsamer und bedeutungsvoller. Ohnehin ist es beim Fahrtensegeln auch einfacher (aber nicht immer besser), wenn noch weitere „Hände“ an Bord sind – sei es um mal etwas Schlaf zu finden oder beim An- oder Ablegen nicht der ungeplante Hauptakteur des Hafenkinos zu werden.

Ein eigenes Boot besitze ich nicht. Zu Beginn meines Seglerdaseins gab es zwar die familieneigene Opti-Jolle „Möwe“, danach kam ich aber nicht wieder zum eigenen segelbaren, schwimmfähigen Untersatz.
Das hat unterschiedliche Gründe: Geld mag einer davon sein. Wohl aber eher auch eine Kombinationen von Zeit, Mut, Wunsch nach Komfort und der (sagen wir zu 10%) Abwesenheit von handwerklichem Talent (die anderen 90% sind einfach Unlust) . Letzteres bedingt, dass Gebrauchtboote für mich derzeit eher ausfallen, da ich die notwendigen Arbeiten kaum selbst (kostengünstig) durchführen könnte oder wollte. Somit bin ich Charterkunde und konnte so glücklicherweise schon, jeweils mehrere Wochen pro Jahr, verschiedenste Reviere mit tollen Booten (die ich mir niemals hätte kaufen können) erkunden. Da mir als Arbeitnehmer nur eine begrenzte Zeit Urlaub im Jahr zur Verfügung steht, bin ich zudem sehr gerne nach der Arbeit auf der Jolle unterwegs. In der Hamburger Innenstadt haben wir dafür ein sehr schönes Segelrevier – die Außenalster. Da ich hier einige Jahre Segellehrer gewesen bin und unzählige Anfänger auf ihrem Weg zum Segelschein, vielleicht sogar Segelbegeisterten, begleiten durfte, bin ich meinem ehemaligen Steg treu geblieben: Noch heute geht’s für mich auf der Alster oft bei Jogi und Benni von Pieper am Atlantiksteg los!

Der Steg bleibt für mich ohnehin ein sehr, sehr besonderer Ort: Hier habe ich meine Frau kennengelernt. 🙂

Zusammengenommen bin ich in den vergangenen Jahren viele Tausend Meilen gesegelt und hatte dabei unzählige tolle Erlebnisse auf dem Wasser.

Achso: Die in Deutschland ‚empfohlenen‘ Segelscheine habe ich erworben. Das ist aber weniger wichtig, da mir meine Erfahrungen unsagbar mehr wert sind.

Ein Vereinstyp bin ich eher nicht. Um trotzdem genug neue Mitsegler zu haben, versuche ich stets, Menschen in meiner Nähe fürs Segeln zu begeistern – mit steigendem Erfolg.

Vielleicht treffen wir uns ja mal dort draußen.

Meine derzeitigen Heimatgewässer

Mich zieht es eher dort hin, wo es „echtes Wetter“ und zusätzlich (oder stattdessen) zur touristischen Infrastruktur noch genügend Natur zu erleben gibt.

Ostsee

"Badewanne" (machmal nicht)

Der Törn gen Norden, Nordosten oder Osten lohnte sich für mich immer. Vielen Dank an die Gastfreundschaft unserer (skandinavischen) Nachbarn! Wir können diesbzgl. noch viel von Euch lernen. Wir sind Fans des „Softeis‘ mit Topping“. 😉

Deutsche Bucht

"Nordsee ist Mordsee"

Wer mit Bedacht und Wahrschau navigiert, kann hier Tolles erleben! Ob Hochsee oder das faszinierende Wattenmeer – Deutschland, Holland und Dänemark gibt es zu entdecken. Und auch rund Helgoland (geht ohne Fusel)…

Ijsselmeer

Zeeland, Wattenmeer

„Das Ruhrgebiet“ fühlt sich hier nicht zu unrecht wie zuhause: Tolle Natur, nette Menschen, Geschichte, Kultur, kurze Wege, allerbeste Infrastruktur! Meine Familie und ich segeln hier seit über 35 Jahren. Immer eine Reise wert!

Alster & Elbe

Hamburg bis Cuxhaven

Hier bin ich zuhause: Auf der Alster mit der Jolle, auf der Elbe zumeist mit größerem Gefährt. Ziele auf der Alster: Pieper, Bodo oder Bobby. Auf der Elbe: der HH-Hafen, die Elbinseln und natürlich die Nebenflüsse – vor allem Stör & Oste.

Fair Winds and Following Seas*

* die Überschrift ist die englische Variante des deutschen Spruchs „Mast- und Schotbruch und immer eine Handvoll Wasser unterm Kiel“ – beide sind Grußformeln zum Abschied, um den seefahrenden Menschen auf dem Meer eine gute und sichere Reise zu wünschen.

Es gäbe noch so viel mehr übers Segeln zu erzählen.

Am besten ist aber: Einfach Segel setzen oder irgendwo an Bord gehen und es selbst mal ausprobieren! Oftmals ist die Realität ohnehin anders als die Vorstellung: Ein Sommer in Skandinavien ist nicht nur sonnig und warm (siehe Foto links: „Dänischer Hochsommer“). Mit Luxus hat es in dieser Preisklasse kaum etwas zu tun, obwohl es vergleichsweise teuer ist (Stichwort: Dusch- bzw. Toilettensituation). Segeltage können langweilig werden, wenn man kein Fan von Ruhe ist oder nicht eine längere Zeit auf einen stabilen Internetempfang verzichten kann. Etc.

Kurz: Jeder muss für sich selbst herausfinden, ob der Lifestyle auf dem Wasser passt. Und wenn es denn aufs Boot geht, ob eher gesellige Vereine oder Yachthäfen glücklich machen und/oder Ruhe, Natur und teilweise extreme Verlangsamung.

Mir gefällt Letzteres sehr. Ich lebe aber auch kein „Leben auf der Überholspur“ und benötige zum Glücklichsein auch nur sehr wenig (mediales) Entertainment oder Ablenkung.
„Sail fast, live slow“ hörte ich einst von Seglern. Das hat mich sehr angesprochen.

Noch ein anderes nettes (chinesisches) Sprichwort: „Wenn das Wasser steigt, beginnen manche Mauern zu bauen – andere Schiffe“.

Gefällt mir auch gut: Ich bin kein Freund von Mauern. Segelschiffe, Seereisen und neue Ufer (im eigentlichen und übertragenen Sinn) sind mein Ding.